Mechanisierte Infanterie ist der Verbund von Fußsoldaten mit wenigstens leicht gepanzerten Fahrzeugen. Diese Truppengattung entstand im Zweiten Weltkrieg aus der Notwendigkeit heraus, Infanteristen gemeinsam mit Kampfpanzern einzusetzen – sie also einerseits mit den anderen Fahrzeugen schritthalten zu lassen, andererseits aber vor Panzerbedrohungen zu schützen. Während die Panzer das Gefecht im offenen Gelände führten, wurde die Infanterie dort eingesetzt, wo sie aufgrund von Bebauung oder Geländeeigenschaften im Vorteil war. Im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelte sie sich deshalb neben den Kampfpanzern selbst zum wichtigsten Element der Bodentruppen in den Armeen der Industrienationen.
Prinzipien und Begriffsklärungen
- Grundsätzlich gilt für die mechanisierte Infanterie, dass sie ein infanteristisches Element und ein Panzerfahrzeug vereinigt. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen, sodass sich verschiedene Strukturen ergeben, die in den Seiten dieser Kategorie erklärt werden.
- Mechanisierte Infanterie unterscheidet sich von motorisierter Infanterie dadurch, dass sie immer im Verbund mit dem Fahrzeug kämpft.
- Der Begriff motorisierte Infanterie im weiteren Sinne ermöglicht dagegen im historischen Kontext die Abgrenzung von berittenen oder zu Fuß marschierenden Infanteristen. Im modernen Kriegsgeschehen ist jedoch bis auf wenige Ausnahmen sämtliche Infanterie motorisiert, weshalb dieses Unterscheidungskriterium keine Rolle mehr spielt und man stattdessen nur noch mech. Inf. von genereller Inf. unterscheiden muss.
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Unter motorisierter Infanterie im engeren Sinne können aber auch die mechanisierten Truppen von (Nachfolge-) Staaten des Warschauer Pakts begriffen werden. Dann ist der Begriff nahezu Synonym zur mech. Inf., in etwa vergleichbar mit der Unterscheidung von Kosmonaut und Astronaut. Diese Begriffsbildung aus dem Russischen ist daraus zu erklären, dass in den Armeen der Sowjetunion früh stark auf mechanisierte Truppen gesetzt wurde und bspw. mit LKW motorisierte Infanterie kaum eine Rolle spielte.
- Als Einheit werden wir im Folgenden stets den Verbund von einem Gefechtsfahrzeug mit einer Infanteriegruppe bezeichnen.
- Die Infanteriegruppe wird je nach System auch nur als Squad oder Gruppe bezeichnet. Um Klarheit zu schaffen, werden wir in den generellen Artikeln die Bezeichnung Infanteriegruppe nutzen, in den Artikeln zu den einzelnen Systemen wird dann nach Squad und Gruppe unterschieden. Es ist nicht zwingend notwendig, dass alle Mitglieder der Infanteriegruppe in ein Gefechtsfahrzeug passen, manchmal werden sie auch aufgeteilt (z.B. bei den Bradley-Platoons der US-Army).
- Das Gefechtsfahrzeug ist das der Infanteriegruppe zugeordnete Fahrzeug. In ähnlicher Weise werden auch die Begriffe Infantry Fighting Vehicle (IFV), Schützenpanzer (SPz) und Schützenpanzerwagen (SPW) verwendet, wobei der inhaltliche Fokus stets auf einem anderen Aspekt liegt. Es handelt sich immer um ein wenigstens leicht gepanzertes Fahrzeug mit einer eigenen Hauptbewaffnung, oft eine Maschinenkanone und manchmal zusätzlich mit Raketenwaffen. Im Gegensatz zum Transportpanzer (TPz) oder Armored Personel Carrier (APC) dient die Waffe aber nicht nur zur Selbstverteidigung, sondern soll im Gefecht auch offensiv eingesetzt werden.
- Der kommandierende Offizier der Einheit kann entweder der Fahrzeugkommandant oder der Gruppenführer der Infanterie sein. Wird vom „Kommandanten“ gesprochen, ist derjenige von beiden gemeint, der das Sagen hat.
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Zug oder Platoon bezeichnet die Verbindung von drei bis fünf Einheiten.
- Als aufgesessenen Modus bezeichnet man den Zustand, in dem die Infanteristen im Fahrzeug sitzen, als abgesessenen Modus dagegen, wenn die Infanteriegruppe zu Fuß unterwegs ist.
Systeme
Bei Gruppe W sind bisher drei Systeme etabliert. Diese Unterscheiden sich in zwei Eigenschaften voneinander:
- Einheit von Gruppe und Fahrzeug? Sind ein Gefechtsfahrzeug und eine Infanteriegruppe fest miteinander verbunden oder gibt es getrennte Ebenen mit eigener Führung, wobei die Verbindung nur phasenweise hergestellt wird?
- Kommandant aufgesessen oder abgessen? Ist der Kommandant einer Einheit der Fahrzeugkommandant oder der Gruppenführer bei der Infanterie?
Entsprechend ergeben sich folgende Systeme:
System | Einheit verbunden? | Kommandant? |
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Bundeswehrsystem (GO) | Ja | aufgesessen |
Sowjetisches System | Ja | abgesessen |
Stryker Platoon | Nein | – |
Eigenschaften
Die mechanisierte Infanterie soll die positiven Eigenschaften von Infanterie und Panzerfahrzeugen vereinen. Dadurch ergeben sich Vor- und Nachteile jeweils im Vergleich zu reinen Infanterietruppen bzw. Kampfpanzern, die sie gewissermaßen zur eierlegenden Wollmilchsau der Kriegsführung macht, was auch den starken Fokus auf mechanisierte Truppen in vielen modernen Armeen erklärt.
Vorteile der Infanteriekomponente
Die Infanterie zeichnet sich vor allem durch große Flexibilität und die Möglichkeit aus, auch in beengten Bereichen agieren zu können.
- Die Infanteristen können sich im Gelände getarnt bewegen, wodurch sie in hügeligem und zerfurchtem Gelände, bei dichtem Bewuchs oder in Ortschaften den Weg erkunden können, bevor die Gefechtsfahrzeuge nachziehen können.
- Im Orts- und Häuserkampf übernimmt die Infanterie die Sicherung von Stellungen, Gebäuden und Häuserecken.
- Dadurch, dass die Infanteriegruppe einen größeren Sichtwinkel hat (insbesondere, wenn sie eine Rundumsicherung herstellt), kann sie die Flanken sichern.
Die Ausstattung mit verschiedenen Waffensystemen erlaubt einen flexiblen Einsatz gegen unterschiedlichste Bedrohungen, insbesondere gegen solche, die für das Gefechtsfahrzeug gefährlich sind:
- Infanterie und AT-Bedrohungen auf kurze Entfernungen (z.B. in Ortschaften und Gebäuden),
- schwer gepanzerte Fahrzeuge mithilfe von AT-Bewaffnung,
- Luftbedrohungen mithilfe von MANPADS.
Vorteile des Gefechtsfahrzeugs
Das Fahrzeug dient der Einheit vor allem in drei Eigenschaften:
- Es ist schnelle Transportmöglichkeit für die Infanteristen, wodurch diese sich schnell und ohne Ermüdung bewegen kann. Auch das Fahrzeug selbst profitiert von der im Vergleich zu Kampfpanzern meist höheren Geschwindigkeit.
- Seine Panzerung schützt die Infanteristen im Vergleich zu LKW, MRAPS o.Ä. stärker vor Beschuss, wobei sich der Grad je nach Ausführung stark unterscheiden kann. Auch im abgesessenen Modus kann die Infanteriegruppe das Fahrzeug als mobile Deckung nutzen.
- Das Fahrzeug dient darüber hinaus als Waffenplattform. Die meisten modernen Gefechtsfahrzeuge verfügen über eine Maschinenkanone mit einem Kaliber zwischen 25 mm und 40 mm sowie über ein mittleres Maschinengewehr. Je nach Ausführung finden aber auch kleinere Kanonen, ATGMs oder sogar SAMs Platz.
Daneben gibt es auch weitere Eigenschaften, die die meisten Gefechtsfahrzeuge auszeichnen:
- Oft sind sie schwimmfähig, wodurch die Durchquerung von Flüssen, Sümpfen usw. erleichtert wird.
- Im Laderaum finden Munition und Waffen für die Infanterie platz, wodurch je nach Lage AT-Bewaffnung, MANPADS oder schwerer MGs aufgenommen werden können, ohne dass die Infanterie mit Gepäck belastet wird.
- Optiken oder TV-Systeme helfen bei der Aufklärung. Zeitgenössische Fahrzeuge verfügen in der Regel über Thermalkamera und hohe Zoomstufe.
- Mit dem Fahrzeug können leichte Hindernisse wie bspw. Mauern und Zäune umgefahren werden, sodass die Infanterie diese durchqueren kann.
Die schwerere Bewaffnung befähigt das Gefechtsfahrzeug, Bedrohungen für die Infanterie auszuschalten, die diese selbst nur unzureichend bekämpfen kann:
- Alle Arten von Fahrzeugen,
- Infanterie auf größere Entfernungen,
- befestigte Stellungen, MG-Nester, besetzte Gebäude u.Ä.,
- tief fliegende Flugzeuge und Hubschrauber.
Nachteile
Wo Licht ist, ist immer auch Schatten. Daher hat selbstverständlich auch die mechanisierte Infaterie Nachteile:
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Grundsätzlich bleibt die Verletztlichkeit gegenüber Kampfpanzern und AT-Bewaffnung. Besonders im aufgesessenen Modus ist der Effekt eines zerstörten Gefechtsfahrzeugs enorm, da er einen Zug massiv schwächt. Die Kanonen der Gefechtsfahrzeuge sind meist nicht ausreichend, um einen Kampfpanzer zu kontern, und die ATGMs sind bislang noch oft manuell gesteuert, weshalb der Turm lange exponiert bleiben muss, um einen Feindpanzer bekämpfen zu können.
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Die Infanteriegruppe ist im Vergleich zum Pendant eines reinen Infanteriezugs aufgrund der beengten Verhältnisse oft kleiner. Daher ist sie umso mehr auf die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen angewiesen, um den gleichen Aufgaben entsprechen zu können.
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Das Fahrzeug ist wie alle Kampffahrzeuge auf entsprechende Logistik angewiesen. Auch leichte Waffen können es unbeweglich oder kampfunfähig machen, wenn empfindliche Stellen getroffen werden, insbesondere wenn es Räder statt Ketten hat.
Fazit
Aufgrund dieser Eigenschaften eignet sich die mechanisierte überall dort, wo sie ihre Vorteile, zugleich schnell, schlagfertig und flexibel zu sein, optimal ausspielen kann.
- Ideal geeignet ist sie zur Begleitung von Kampfpanzern. Sie übernimmt dann die Aufgaben, die die Panzer selbst nicht leisten können, zum Beispiel das Einnehmen von Compounds, leichte Luftabwehr, Absicherung von Marschrouten in schwierigem Gelände, Flankenschutz etc.
- Ebenfalls kann sie zur Begleitung von Konvois leichterer Fahrzeuge eingesetzt werden.
- Ein eigenständiger Einsatz bietet sich an, wenn befestigte Stellungen, Außenposten etc. eingenommen werden sollen.
- Im Orts- und Häuserkampf ist das Gefechtsfahrzeug zwar ungleich verwundbarer als im offenen Gelände, allerdings bietet es auch große Chancen, da z.B. Mauern durchstoßen, Löcher in Wände geschossen und Stellungen in Gebäuden bekämpft werden können.
- Bei der Verteidigung von Stellungen kann das Gefechtsfahrzeug auch als stationäre Waffenplattform genutzt werden. Ist dann ein Rückzug nötig, wird die große Geschwindigkeit ausgenutzt.
Natürlich gibt es auch Aufgabentypen, die möglichst vermieden werden sollten. Darunter gehören diese:
- Offensivkampf gegen schwere Panzer ohne eigene Panzerunterstützung,
- Kampf in sehr unwegsamen Gelände, z.B. Hochgebirge, dichten Wäldern, Sumpfland etc.
Aufgrund dieser Eigenschaften ist es wichtig, dass sich angehende Führungskräfte intensiv mit den spezifischen Taktiken der mechanisierten Einheiten auseinandersetzen.